Lungenheilstätte Ambrock.

Lungenheilstätte Ambrock.

Am 6. Juni 1902 begannen die Maurerarbeiten an dem von den Architekten Picht aus Hagen und Düchting aus Dortmund entworfenen Sanatoriumgebäude. Der Entwurf der Architekten lehnte sich an

Lungenheilstätte Ambrock.

den populären sogenannten „ Schweizer Heilstätten – Stil“ an, der als ideale Grundform für Lungenheilstätten auch vom Zentralkomitee zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke empfohlen wurde. Nach der Maxime eines positiven Einflusses von Höhenluft und Sonne war das Hauptgebäude an einem südlichen Berghang errichtet worden, der gegenüber den anderen Himmelsrichtungen den Vorteil besaß, durch Wald oder Berge gedeckt zu sein. Das Haus besaß fünf Stockwerke und war dreiflügelig angelegt. Alle Krankenzimmer waren nach Süden ausgerichtet, so dass sich auf der Nordseite lediglich Korridore und Wirtschaftsräume befanden. Halbkreisförmig schlossen sich rechts und links die ebenfalls nach Süden offenen Liegehallen an. Nach einem genau festgelegten Stundenplan verbrachten die Patienten hier die meiste Zeit ihres Aufenthalts in der

Toreinfahrt zur Heilstätte.

Heilstätte. Ruhiges Liegen in gesunder Luft war Hauptbestandteil der Kur. Zur Heilstätte Gehörten ein separates Wirtschaftsgebäude, ein Wohnhaus für den leitenden Arzt sowie ein Kessel – und Maschinenhaus. Das abseits gelegene Sanatorium war auf eine eigene Energieversorgung angewiesen. Besonders Wert wurde auf die Hygiene im Haus gelegt. Abwaschbare Ölsockel an den Wänden und fugenlose Fußböden wurden in Ambrock sogar noch dadurch ergänzt, dass zur besseren Reinigung alle Ecken abgerundet worden waren. Spezielle Vorkehrungen waren zur Desinfektion des Auswurfs der Tuberkulösen notwendig. Den Auswurf, das sogenannte Sputum, hatten die Patienten selbst in speziellen, immer bei sich zu tragenden „ Spuckflaschen“ zu sammeln. In den Etagen der Heilstätte befanden sich Sputuzvernichtungsräume, in denen die Flaschen entleert und

Bürogebäude / Verwaltung, Lungenheilstätte.

mit kochendem Wasser desinfiziert werden konnten. Der Inhalt der Flaschen wurde einem Dampfsterilisationskessel, der im Maschinenhaus aufgestellt war, zugeführt. Betten und andere Wäsche wurden ebenfalls mit Heißdampf keimfrei gemacht. Die Anstalt verfügte darüber hinaus über eine eigene Kläranlage. In Ambrock standen zunächst 120 und nach einem weiteren Ausbau des Dachgeschosses im Jahre 1904 schließlich 130 Betten zur Verfügung. Die Patienten wurden in Zimmern mit zwei bis sechs Betten untergebracht, welche entsprechend der Bestimmung des Hauses als Volksheilstätte“ nach einem einfachen Standart eingerichtet waren. „ Die innere Ausstattung der Krankenzimmer ist einfach, aber zweckmäßig gestaltet. Für jeden Kranken ist vorgesehen, eine eiserne Bettstelle mit Patentsprungfederrahmen, Stellbahren Kopfrahmen, dreiteiliger

Kesselanlagen der Heilstätte.

Rosshaarmatratze, Feder – und Rosshaarkopfkissen, 5 wollene Decken und weißleinener Bettwäsche, ein eiserner Nachttisch mit Glasplatte, ein Schrank, ein Stuhl mit Patentholzsitz ( Nachtgeschirr, Spucktasse aus Porzellan, Wasserkaraffe und Wasserglas USW,“ Nach gut sechsmonatiger Bauzeit war es schließlich soweit. Am 22. Oktober 1903 wurde die „ Märkische Volksheilstätte Ambrock bei Hagen in Westfalen im Beisein zahlreicher Vertreter staatlicher und kommunaler Behörden eröffnet. Die Bedeutung der neuen Lungenheilstätte für die Provinz Westfalen wurde durch die Anwesenheit des Oberpräsidenten Freiherr von der Recke und des Regierungspräsidenten von Arnsberg, Freiherr von Cöls, unterstrichen. Für das Deutsche Zentralkomitee zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke war dessen rühriger Generalsekretär Professor Dr. Pannwitz anwesend und die Landesversicherungsanstalt Westfalen war durch ihren

Direktor Villa.

medizinischen Berater, Universitäts- – Professor Dr. Alwin Besserer, vertreten . Das Datum der Einweihung, der 22. Oktober, war mit Bedacht gewählt worden. Es war der Geburtstag der Kaiserin Auguste Victoria, die sich schon mehrfach als ideale Förderin des Heilstättenwesens hervorgetan hatte. Das Ereignis in Ambrock wurde der Kaiserin deshalb in einem „ Huldigungstelegramm“ zur Kenntnis gebracht, und ihre Majestät antwortete ausgesprochen wohlwollend und lobend. „ Landrat Hartmann, Hagen. – Ihre Majestät die Kaiserin und Königin nehmen an der Errichtung der Volksheilstätte Ambrock aufrichtigen Anteil und lassen mit den besten Segenswünschen für das Gedeihen der Anstalt Euer Hochwohlgeboren und allen Beteiligten den Ausdruck warmer Anerkennung für den schönen Erfolg ihrer Bemühungen aussprechen. I. A. Kammerherr von dem Knesenbeck“ Auch Reichskanzler Fürst von Bülow, Schirmherr des

Gebäude mit Liegehallen.

Zentralkomitees zur Errichtung von Lungenheilstätten, sandte telegraphisch seine Glückwünsche. Viele waren an diesem Erfolg, der nun bis in die höchsten Stellen als vorbildlich gelobt wurde, beteiligt gewesen. Vor allem Landrat Hartmann hatte unter großem persönlichen Einsatz zunächst im Rahmen des „ Vereins Kaiser – Wilhelm – Volksheilstätte“ und dann im

Märkischen Volksheilstätten – Verband“ zur Errichtung der dritten westfälischen Lungenheilstätte beigetragen. Ohne die großzügigen finanziellen Hilfen der Landesversicherungsanstalt Westfalen hätte das Projekt Volksheilstätte Ambrock nicht verwirklicht werden können. Weninge Tage nach der feierlichen Eröffnung wurden in Ambrock die ersten Tuberkulosekranken aufgenommen. Die gesamte Leitung der Volksheilstätte, sowohl die medizinische wie die wirtschaftliche, lag in den Händen des Chefarztes Dr.

Heilstätte Ambrock.

von Scheibner. Er war bereits während der Bauzeit als beratender Arzt hinzugezogen worden und hatte 1903 die Leitung der Anstalt übernommen. Bei der medizinischen Betreuung der Patienten stand ihm ein Assistenzarzt zur Seite. Bei der Verpflichtung von Pflegepersonal griff der Volksstätten – Verband – nicht zuletzt aus Kostengründen – auf die kreative Krankenhauspflege der evangelischen Inneren Mission zurück. Die Hauseltern von Ambrock, welche die Wirtschaftsführung und die Büroarbeiten zu erledigen hatten, sowie die Diakone, die in der Krankenpflege eingesetzt waren, kamen zunächst aus den von Bodelschwingh’schen Anstalten in Bethel. Im Jahre 1907 wurde dann ein neuer Vertrag mit der Diakonissenanstalt in Duisburg abgeschlossen. Um unliebsamen erotischen Abenteuern vorzubeugen, bestand die Leitung von Ambrock bei dessen Verträgen darauf, dass nur Brüder und keine Schwestern zur Krankenpflege in die Männer – Heilstätte

Hauptgebäude mit Liegehallen.

eingesetzt wurden. Das Personal von Ambrock wurde noch durch einen Maschinisten, Einen Heizer, einen Gärtner sowie mehrere Hausknechte, Küchenpersonal und Dienstmädchen abgerundet. Gemäß der Satzung des Märkischen Volksheilstätten – Verbandes wurden nun Lungenkranke zu einer den Selbstkosten für ärztliche Behandlungen, Pflege und Beköstigung entsprechenden Vergütung behandelt. Als „ Volksheilstätte“ hatte man sich selbst den Anspruch gesetzt, die Kosten für den Patienten so niedrig wie möglich zu halten, um auch Geringerverdienenden eine mehrmonatige Liegekur zu ermöglichen. Dementsprechend gab es nur eine Verpflegungskasse in Ambrock. Lediglich bei der Beanspruchung eines Einzelzimmers verlangte die Anstaltsleitung einen Zuschlag. Der Anspruch, für jeden „ männlichen, weniger bemittelten Lungenkranken ohne Unterschiede des Standes der Konfession“ offen zu sein, erwies sich jedoch

Lungenheilstätte Ambrock.

schnell als Illusion. Obwohl der Pflegesatz mit nur 3,50 Mark pro Tag im Vergleich zu den privaten Heilstätten sehr niedrig angesetzt war, wurden in Ambrock nur wenige sogenannte Selbstzahler aufgenommen. Sich selber eine solche Kur zu finanzieren, war für einen Arbeiter auch in einer Volksheilstätte nach wie vor unmöglich. Zum Vergleich. Der Maschinist der Heilstätte Ambrock verdiente im Jahre 1904 neben freier Kost und Logis 3,70 Mark am Tag, der Heizer 2,50 Mark, die sechs Diakone je 1,20 Mark, die beiden Hausknechte je 80 Pfennig und die sieben Dienstmädchen sogar nur je 50 Pfennig. Für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit entfiel zudem der Lohn, wenn der oder die Betroffene nicht sogar entlassen wurde. Die Kosten einer dreimonatigen

Heilstättenkur waren mit ein Grund dafür, dass Ambrock in den ersten Jahren ihrer Arbeit unter einer zu geringen Belegung litt. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen mussten von der Trägergemeinschaft der fünf Stadt – und Landkreise ausgeglichen werden. Wo immer er konnte, warb Landrat Hartmann deshalb um weitere Patienten. Bürgermeister und Landräte der benachbarten Kreise wurden angeschrieben und um entsprechende Werbung und Einweisungen gebeten. Auch die LVA Westfalen wurde mehrfach um die Überweisung von mehr Patienten angegangen. Tatsächlich wurde der weitaus überwiegende Teil der Patienten im Rahmen der freiwilligen Heilfürsorge

    

Diese Fahrzeuge gehörten auch zum Fahrzeug Park der Heilstätte Ambrock.

auf Kosten der Sozialversicherungen – der Landesversicherungsanstalt, der Knappschaft und einzelnen Krankenversicherungen – überwiesen. Mehr und mehr Tuberkulose – Kranke bekamen dabei ihr

Bügelraum.

Heilverfahren von der Landesversicherungsanstalt Westfalen finanziert, die sich zunehmend der Tuberkulosebekämpfung in der Provinz annahm. Schon bald waren über 90 Prozent der Patienten der Volksheilstätte Ambrock von der LVA Westfalen hierher überwiesen worden. Ohne das Engagement der westfälischen

HELIOS Klinik Hagen – Ambrock.

Invaliditätsversicherung in der Tuberkulosebekämpfung wären Ambrock und Die westfälischen Heilstätten für Lungenkranke nicht überlebensfähig gewesen. Mit privater Wohltätigkeit allein ließen sich weder Heilstätten erbauen noch Heilverfahren finanzieren. Im Jahre 1918 rissen dann einige – zum Teil tragische – Ereignisse die Heilstätte Ambrock aus dem täglichen Einerlei der Liegekuren. Im Herbst des Jahres verstarb an den Folgen einer Operation der langjährige Chefarzt der Heilstätte, Dr. von Scheibner. Er hatte seit der Eröffnung des Hauses 1903 als ärztlicher Direktor fungiert und bereits vorher an der Planung mitgewirkt. Seine Aufgaben übernahm zunächst sein Assistenzarzt. Der geregelte Kurbetrieb der Heilstätte wurde ohnehin schon bald unterbrochen. Die Novemberrevolution von 1918 griff auf die nahe am „ roten“

Ruhrgebiet gelegene Anstalt und ihre Patienten über. Viele verließen daraufhin – ohne auf die Anweisungen des Arztes zu achten – die Heilstätte. Andere Patienten leisteten ihrer Aufforderung zur Kur erst gar keine Folge. Als auch noch die Versorgung der Heilstätte gefährdet war, zog der Vorstand der LVA Westfalen die Konsequenz und schloss Ambrock am 10. November 1918. Auch der Krieg holte Ambrock noch einmal ein. Noch im November wurde die Heilstätte von der Heeresverwaltung in Anspruch genommen. Für einige Wochen wurden 100 Offiziere hier einquartiert. Besondere Schwierigkeiten machte immer noch die Versorgung der Heilstätte mit Lebensmittel und Kohlen. Diese schwierige Aufgabe hatte am 11. Mai 1919 Landessekretär Wagner übernommen, der mit der Stelle eines 1. Inspektors der Heilstätte betraut wurde.

Pumpstation in der Wiese gegenüber Finkink.

 

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